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Die Kirche des Allmächtigen Gottes – "Blitz des Ostens"

(Enciclopedia delle Religioni in Italia, 2017)

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Alle Informationen über die Kirche des Allmächtigen Gottes (auf Chinesisch Quannengshen) –sind in Anbetracht des undurchsichtigen Verhaltens der Organisation nicht sehr sicher. Die Kirche ist allgemein bekannt als „Blitz des Ostens", basierend auf der Anwendung des Auszugs aus Matthäus 24, 27: "Denn wie der Blitz bis zum Westen hin leuchtet, wenn er im Osten aufflammt, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein". Die Versammlungen finden in Privatwohnungen statt und die Mitglieder werden – nicht heimlich, sondern basierend auf den Anleitungen, die auf der Website der Kirche aufgeführt werden – dazu aufgefordert, die Gemeinden aufzuteilen, wenn sie mehr als 50 Gläubige zählen, um keine Aufmerksamkeit auf die Versammlungen zu ziehen. Letztere sollten in jedem Fall im Rahmen von "Zellen" von maximal sieben Personen abgehalten werden. Diese dürfen ihre Identität selbst den Mitgliedern ihrer eigenen "Zelle" nicht mitteilen. Stattdessen werden Pseudonyme verwendet. Es ist darauf zu achten, dass die Mitgliedschaft in der Kirche Unbekannten auch nicht versehentlich mitgeteilt wird. Am Telefon darf nicht über die Kirche gesprochen werden, es sei denn, man benutzt eine Telefonkabine. Diese Vorsichtsmaßnahmen sind auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Kirche in China durch das Regime verfolgt wird, und auch Chinesen, die in andere Länder gezogen sind, befürchten müssen, dass ihre noch in China lebenden Verwandten Ziel von Vergeltungsmaßnahmen sein könnten.

Über die Kirche und ihre Doktrin – ausgeführt in dutzenden Bänden und Tausenden von theologischen Seiten – finden sich zahlreiche Informationen auf deren Websites. Wenig erfährt man dagegen über ihre Geschichte und Organisation. Die von chinesischen Zeitungen veröffentlichten Nachrichten basieren auf Informationen der Polizei und sind folglich nicht objektiv. Einige Führer anderer Kirchen und christlicher Gemeinden in China, die im Allgemeinen die Kirche des Allmächtigen Gottes verabscheuen, äußern sich in der Form, die man häufig von "Anti-Sekten-Bewegungen" kennt – zu unterscheiden von Äußerungen von weltlichen Sektengegnern –, und können ihrerseits nicht als vorurteilsfreie Informationen gesehen werden. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass sie nur selten in der Lage sind, spezifische Zahlen und Beweise für die angeblichen Vergehen dieser Kirche zu nennen. Dennoch ist es wichtig, sich mit der Kirche des Allmächtigen Gottes zu beschäftigen, denn – schenkt man den chinesischen Behörden und anderen christlichen Kirchen in China Glauben (einschließlich der im Verborgenen agierenden, die auch den von der Regierung verbreiteten Angaben nicht trauen) – ihre Mitgliederzahl soll sich in China auf Hunderttausende (die Geheimhaltung, die selbst die chinesische Polizei nur selten durchdringen kann, macht eine genaue Zahlenangabe unmöglich) und einige Tausende im Ausland belaufen. Diese halten sich vorrangig in Südkorea, Hongkong, Taiwan, den USA, Kanada und Italien auf, sind aber auch in anderen Ländern vertreten.

Die Kirche des Allmächtigen Gottes kann als neue, 1991 in China entstandene religiöse Bewegung angesehen werden. Die Hauptlehre besagt, dass Jesus Christus als Inkarnation des Allmächtigen Gottes auf die Erde zurückgekommen ist. Da die Bewegung selbst nie seinen Namen oder bibliografische Details nennt, sondern vielmehr davor warnt, dass die aus anderen Quellen stammenden Informationen falsch sein könnten, geht die Mehrzahl der Gelehrten davon aus, dass sie Gott den Allmächtigen mit einer chinesischen Frau identifiziert: Yang Xiangbin, 1973 in Nordwest-China geboren. Nachdem sie die Schule abbrach, wurde sie Mitglied der House Churches-Bewegung, also der von der Regierung verbotenen christlichen Kirchen und begann in dieser Zeit, in der sie mit der Witness Lee (1905–1997) Bewegung – im Osten als Lokale Kirche bekannt und in China allgemein als "Shouters" bezeichnet ("Schreier", weil sie den Namen des Herrn lauthals beschwören) in Kontakt stand, neue und beseelte Worte zu predigen. Für viele Gläubige der House Churches stammen diese Worte vom Heiligen Geist und sie beginnen, diese während ihrer Versammlungen zu verlesen. Dennoch wird die hinter diesen Botschaften stehende Person erst 1993 als Jesus Christus anerkannt, der auf die Erde zurückgekommen ist, als Allmächtiger und einziger wahrer Gott.

Eine der zum Glauben der Botschaft und der Person des Allmächtigen Gottes konvertierten Personen ist der 1951 in der chinesischen Provinz Heilongjang geborene Zhao Weishan, der damals einen Zweig der Shouters-Bewegung anführte. Später wird er als „vom Heiligen Geist benutzter Mensch" und als "Priester" der Kirche des Allmächtigen Gottes angesehen. Die Kirche wird direkt von der Person geführt, die sie als Gott der Allmächtige ansieht, während Zhao Weishan mit dem Werk dieser zusammenarbeiten und für die Verwaltungsangelegenheiten der Bewegung zuständig ist.

Nach den harten Repressionen Ende der 1990er Jahre– die sowohl die Shouters als auch die Kirche des Allmächtigen Gottes betrafen, die von den chinesischen Behörden anfangs fälschlicherweise laut Regierungsunterlagen als eine einzige Gruppe gesehen wurden, da man deren theologischen Unterschiede nicht erkannte – ziehen Zhao und Yang 2000 in die USA, wo sie am 6. September eintreffen und 2001 politisches Asyl erhalten. Anfang 2009 wird He Zhexun, der zuvor die Aktivitäten der Kirche des Allmächtigen Gottes in China leitete, von den chinesischen Behörden verhaftet. Am 17. Juli 2009 wird die Nachfolgerin von He Zhexun, Ma Suoping (1969–2009), ebenfalls verhaftet. Sie stirbt laut der Bewegung aufgrund von Folter am 22. Juli im Gefängnis. Damals begannen die chinesischen Behörden, die Kirche des Allmächtigen Gottes als zweite Bewegung direkt nach der Falung Gong als xie jiao einzustufen, die es zu unterdrücken und zu verfolgen gilt. Hierbei handelt es sich um eine alte chinesische und nur schwer übersetzbare Bezeichnung, die in etwa mit dem Begriff "Sekte" vergleichbar ist.

Am 28. Mai 2014 betritt eine Gruppe an Missionaren, die behauptet "Gott den Allmächtigen" zu vertreten, ein Restaurant von McDonalds in Zhaoyuan in der chinesischen Provinz Shandong und beginnt zu predigen. In diesem Zusammenhang bitten sie die Anwesenden um ihre Telefonnummern, um sich später mit ihnen in Verbindung setzen zu können. Als sich die Kundin Qu Shuoyan (1977–2014) weigert, ihre Nummer herauszugeben, wird sie von einem der Missionare, Zhang Lidong (1959–2015), und anderen zu Tode geprügelt. Die Medien und die chinesischen Behörden ordnen den Mord der Kirche des Allmächtigen Gottes zu. In Folge fliehen viele Mitglieder vor der immer stärker werdenden Repression nach Südkorea. Aus den Nachforschungen von Emily Dunn und anderen Gelehrten geht jedoch hervor, dass die Kirche des Allmächtigen Gottes nicht für den Mord verantwortlich ist. Während des Prozesses, den die Vorkommnisse in Zhaoyuan nach sich ziehen, erklärten Zhang Lidong und die anderen Mitglieder der Gruppe ausdrücklich, dass sie nicht der von Zhao Weishan angeführten Kirche des Allmächtigen Gottes angehören. Vielmehr gehen sie bei der Identität von "Gott dem Allmächtigen" von zwei Personen, d.h. der Tochter von Zhuang Lidong, Zhang Fan (1984–2015) und deren Freundin Lü Yingchun (geboren 1975) aus. Letztere gehört zu der für den Mord von 2014 verantwortlichen Gruppe, die scheinbar in synkretistischer Weise die Glaubensgrundsätze unterschiedlicher chinesischer religiöser Bewegungen miteinander vermischt hat. Am 11. Oktober 2014 werden Zhang Lidong und Zhang Fan zum Tode verurteilt und am 2. Februar 2015 hingerichtet. Lü Yingchun wird zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt und die übrigen der im McDonalds-Restaurant anwesenden Mitglieder, die nicht direkt in den Mord verwickelt waren, erhalten geringere Strafen.

Die Kirche sieht alle diejenigen als Mitglied an, die ernsthaft an Gott glauben, gute menschliche Fähigkeiten beweisen und davon überzeugt sind, dass Jesus, Gott der Allmächtige, in unserer Zeit nach China zurückgekehrt ist und somit die Prophezeiung des Matthäus 24, 27 erfüllt, laut der "der Blitz im Osten aufflammt". China ist darüber hinaus laut der Kirche der Ort, an dem sich der Drache der Apokalypse in Form der Kommunistischen Partei gezeigt hat und wo folglich die Wiederkunft von Jesus Christus erfolgen musste. Diese Wiederkunft repräsentiert die dritte Fügung oder Epoche der Geschichte, in der sich Gott selbst durch seine chinesische Menschwerdung als Allmächtiger manifestiert, während er beim ersten Mal als Jehovah und beim zweiten Mal als Jesus Christus in Erscheinung trat.

Die Autoren der Kirchentexte – die auf theologischer Ebene nicht unbedarft sind, auch wenn sie strikt in einer fundamentalistisch ausgerichteten Schriftauslegung verhaftet sind – behaupten, keiner “unchristlichen Sekte" anzugehören, sondern vielmehr Ausdruck eines neuen Christentums zu sein. Dieses sehe den Vater, den Sohn und die neue Inkarnation des Allmächtigen Gottes als den einzigen Gott der christlichen Bibel.

Neben der Ketzerei werfen Führer christlicher Gemeinschaften und die chinesische Polizei der Kirche des Allmächtigen Gottes vor, Mitglieder der House Churches einschließlich deren Anführer, die versuchen, in der Kirche oder anhand mentaler Manipulationen Leute anzuwerben, zu entführen – eine weit verbreitete Anschuldigung, die gegenüber "Sekten" allgemein erhoben wird.

Außerdem wirft man ihnen vor, dass diese Personen, von anmutigen Anhängern der Bewegung verführt, in kompromittierenden Situationen fotografiert und dann erpresst würden, sich aber nicht an die Behörden wenden könnten, da sie selbst Führer illegaler religiöser Bewegungen seien, die verständlicherweise jeden Kontakt mit der Polizei vermeiden möchten. Es ist schwer einzuordnen, ob letztere Anschuldigung – die in der Literatur der House Churches häufig zu finden ist – eine urbane Legende darstellt oder tatsächlich etwas Wahres daran ist. In jedem Fall ist es seltsam, dass in China niemand für diese Entführungen verhaftet oder verurteilt wurde.

Ein akademischer Beobachter, Chan Kim-kwong, der der Bewegung nicht besonders positiv gegenübersteht, sieht auch die Rolle des „Sündenbocks“ der Kirche des Gottes des Allmächtigen., Seine Strategie des "Raubs von Gläubigen" dazu diene, den Verlust an Mitgliedern aller anderen Kirchen zu erklären, die auf einem intra-evangelischen religiösen Markt wie dem immer mehr von Konkurrenz geprägten chinesischen Markt einen starken Rückgang ihrer Mitgliederzahlen verzeichnen. Laut des genannten Autors liegt es nicht im Interesse der Kirche des Allmächtigen ihre Mitgliederzahlen um jeden Preis zu erhöhen: 1999 habe sie im Rahmen einer internen Säuberung angeblich 7000 bis 8000 Mitglieder ausgeschlossen und die heutige Anwerbung würde mit äußerster Sorgfalt erfolgen.

Die Kirche des Allmächtigen Gottes sieht vor, dass alle, die Mitglied werden möchten, einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Dessen Annahme erfordert die Zustimmung der Führer und der Diakone der Kirche, die überprüfen, ob die betreffende Person unmoralischen Anzeichen erkennen lässt, von "bösen Geistern" beeinflusst wird und ob sie die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit des Allmächtigen Gottes akzeptiert und einzig von dem Wunsch angetrieben ist, die Wahrheit zu kennen und an den Versammlungen der Kirche teilzunehmen. Wer nicht mehr an den Versammlungen teilnimmt oder deren regulären Ablauf stört, wird ausgeschlossen. Bis 2017 beläuft sich die Zahl der verbannten Mitglieder laut der Bewegung auf 300.000 bis 500.000 Personen – eine Zahl, die auch diejenigen umfasst, die nicht mehr zu den Versammlungen gekommen sind.

In jedem Fall stellt die Kirche des Allmächtigen Gottes ein faszinierendes Beispiel dafür dar, wie es einer nicht allzu großen Gruppe gelingt, über die Jahre hinweg einen Vorhang der Verschwiegenheit zu bewahren, der sowohl von Gelehrten als auch von einem Staat wie dem chinesischen, dessen Polizei keine halben Sachen kennt, wenn es sich um die Untersuchung illegaler religiöser Gruppen handelt, nur schwer überwindbar ist. Dennoch wurde die Kirche des Allmächtigen Gottes in den vergangenen Jahren weltweit ein Begriff. Ihre Gläubigen sehen in ihr eine überraschende Bestätigung der Worte ihrer wichtigsten heiligen Schrift Das Wort erscheint im Fleisch: „Diese Worte, diese Bestrafungen und Vorurteile kennt nur ihr und sonst niemand. Dieses Werk wird ausschließlich unter euch ausgeführt und nur für euch zugängig. Ungläubige sind nicht in der Lage, es zu verstehen, weil ihr Moment noch nicht gekommen ist. […] Wenn das Werk Gottes auf der Erde abgeschlossen ist, also, wenn das im Geheimen ausgeführte Werk sein Ende erreicht, wird auch diese Phase des Werkes Gottes bekannt gemacht. Alle werden wissen, dass es eine Gruppe Gläubiger und Gewinner in China gibt. Alle werden wissen, dass der fleischgewordene Gott in China ist und sein Werk beendet ist".

B.: Übersetzung der wichtigsten Schriftstücke und Werke der Kirche, einschließlich Das Wort erscheint im Fleisch können auf der Deutschen Website heruntergeladen werden. Der einzige akademische Band über die Kirche stammt von Emily Dunn Lightning form the East: Heterodoxy and Christianity in Contemporary China, Brill, Leida 2016. Eine kritische Überprüfung der wichtigsten protestantischen Kirchen wird von David Aikman vorgenommen, Jesus in Beijing. How Christianity Is Transforming China and Changing the Global Balance of Power, Monarch Books, Oxford 2005. Etwas zurückhaltender, aber nicht unbedingt positiver fällt die Bewertung der Kirchenangelegenheiten von Chan Kim-kwong aus, „A New Messiah from China: The Church of the Almighty God (Eastern Lightning Sect)”, ein am 29. März 2005 dem Kongress in Tokio der IAHR (International Association for the History of Religions) vorgestellter Aufsatz.